Frieden geht anders!

Themenschwerpunkt im Evangelischen Kirchenkreis Aachen 

„Lernen Sie diese Mutmenschen kennen!“

Kirchenkreis Aachen eröffnet zentrale Ausstellung des Themenjahres „Frieden geht anders“ in der Citykirche – Noch bis 30. April täglich zu sehen

„Zorn erfüllt uns, wenn wir an die Passion der Menschen in Syrien denken, und Sorge über die Kriegsrhetorik eines twitternden Cowboys in Washington“, sagte Pfarrerin Sylvia Engels am Montag in der Citykirche zur Eröffnung der Ausstellung „Frieden geht anders“. Wie man Schulen und Krankenhäuser zerstöre, Völkerrecht breche und nationale Machtinteressen mit militärischer Gewalt durchsetze, das sei den Kriegsparteien bekannt. Aber wie befriedet man ein Land und gelangt wieder zu einem zivilen Miteinander? Mit genau diesen Fragen beschäftigt sich die Ausstellung, die noch bis Montag, 30. April, täglich von 9 bis 19 Uhr in der Citykirche in Aachen zu sehen ist.

Ausstellung macht auch in Alsdorf und Gemünd Station

Die Ausstellung steht im Mittelpunkt des Themenjahres „Frieden geht anders“ des Evangelischen Kirchenkreises Aachen und wird im Juni auch in Alsdorf und in Gemünd Station machen. Zu ihrer Eröffnung in Aachen gab es ein kleines Programm, das von Pfarrerin Engels, Schulreferentin Folke Keden-Obrikat, Jugendreferent Axel Büker, einer Aachener Jugendband und zwei ehemaligen Teilnehmerinnen des Freiwilligen Friedensdienstes gestaltet wurde. Anschließend hatten die Gäste in der Citykirche an der Großkölnstraße die Gelegenheit, die Ausstellung zu besichtigen und mit den Organisatoren ins Gespräch zu kommen.

Sowjetischer Oberst und liberianische Mutter mit anwesend

Als Ausstellungsfiguren anwesend waren dabei auch der sowjetische Oberst Stanislaw Petrow, der 1983 einen Atomkrieg zwischen der UdSSR und den USA verhinderte, die liberianische Friedensnobelpreisträgerin Leymah Gbowee und ein im Krieg verkrüppelter Junge aus Mosambik, denen Engels, Keden-Obrikat und Büker ihre Stimmen liehen. Die Personen standen beispielhaft für drei der Konfliktlösungen, die in der Ausstellung vorgestellt werden. So schilderte Axel Büker als Oberst Petrow, welch unvorstellbar schwere Entscheidung er fällen musste, als das Satellitenüberwachungssystem einen Angriff mit nuklearen Interkontinentalraketen meldete, welcher mit einem Gegenschlag hätte beantwortet werden müssen. Oberst Petrow habe sich aber, so Büker, „im Zweifel für die Menschheit“ entschieden, die Systemmeldung richtig als Fehlalarm eingestuft und damit einen Dritten Weltkrieg vermieden.

Menschenfreundliche Haltung lässt sich vererben

Pfarrerin Engels versetzte sich in die Situation der vierfachen Mutter Leymah Gbowee, die im Jahr 2002 eine gewaltfreie Protestbewegung von Frauen in Liberia organisierte und damit zur Beendigung des dortigen Bürgerkrieges beitrug. Folke Keden-Obrikat schlug in ihrem Beitrag die Brücke zwischen dem Jungen, der im mosambikanischen Bürgerkrieg ein Bein verlor, und ihrer eigenen Familiengeschichte. Auch wenn heute noch viele Deutsche von über die Generationen hinweg weitergegebenen Kriegstraumata beeinflusst seien, gebe es genauso die Möglichkeit, die Bereitschaft zum Gespräch zu vererben und eine Haltung, im Feind auch den Mitmenschen zu sehen, sagte sie.

Bergpredigt: Gewaltlose Provokationen kehren Täter-Opfer-Verhältnis um

Im Anschluss an die Vorstellung der drei Figuren trug Pfarrerin Engels eine Passage aus der Bergpredigt vor und ging auf Jesu Gewaltverzicht ein, der nicht als stoischer Gleichmut oder resignativer Rückzug missverstanden werden dürfe. Im Gegenteil handele es sich, so Engels, mit den gewaltlosen Gegenaktionen, zu denen Jesus aufrufe, um gezielte Provokationen. Diese kehrten mit einem Moment der Verblüffung das Opfer-Täter-Verhältnis um und höben die Ungerechtigkeit des Handels in ihrer Sündhaftigkeit hervor. „Jesus sucht bei seinen Nachfolgern solche phantasievollen, provokativen Inszenierungen der symbolischen Umkehr der Machtverhältnisse“, sagte die Pfarrerin. Auch die Liberianerin Leymah Gbowee habe mit den Gebets-Sit-ins und ihrer Blockierung des Verhandlungsgebäudes die jesuanische Verblüffungsstrategie mit Erfolg angewandt. Wer solche Strategien anwende, brauche einen langen Atem und müsse in einer Gemeinschaft verwurzelt sein, könne sich damit aber vom „Opfer“ zum „aufrechten Menschen“ umdefinieren.

Geführte Ausstellungsbesuche noch möglich

Auf die Ausstellung und ihre Inhalte ging Schulreferentin Keden-Obrikat dann noch einmal genauer ein. Die Ausstellung besteht aus 31 Roll-ups sowie vier Mediastationen und diversen Anschauungsobjekten. Sie zeigt an sieben historischen Konflikten und Kriegen auf, wie mit unterschiedlichen gewaltfreien Methoden Kriege verhindert oder beendet werden konnten. Zielgruppe sind vorrangig Jugendliche und junge Erwachsene ab etwa 15 Jahren. Geführte Ausstellungsbesuche zum Beispiel für Schulklassen oder Jugendgruppen können noch beim Kirchenkreis angefragt werden. Der Eintritt in die Ausstellung ist frei.

Diese Mut-Menschen fanden phantasievolle Alternativen

Immer wieder, so erzählte Folke Keden-Obrikat, begegne ihr die abfällig gemeinte Bemerkung, „ein Gutmensch von der Kirche“ zu sein. Beim Aufbau der Ausstellung sei ihr bewusstgeworden, wie sich ihre Lebenssituation von der Situation der dort präsentierten Personen unterscheide, welche mit Terror und Gewalt, Ungerechtigkeit und Krieg konfrontiert gewesen seien und bei denen es um Leben oder Tod ging. „Obwohl alles auf ein schreckliches Ende zuzulaufen schien, versuchten sie es mit Alternativen“, sagte Keden-Obrikat. „Phantasievoll, sich der möglichen Folgen voll bewusst, in Verantwortungsübernahme, einzeln oder in Gemeinschaft, ging es um ihre Existenz und die der ganzen Welt. Sie sind keine Gut-Menschen, sondern es sind Mut-Menschen, die die innere Freiheit finden, zu handeln. Diese Mut-Menschen können Sie in der Ausstellung kennenlernen.“

(Text: C. Braun / Kirchenkreis Aachen)